Auf dem Weg zum geschnittenen Flachglas wird flüssige Glasschmelze über ein Bad aus flüssigem Zinn geleitet. Das Zinnbad ist ein wichtiger Abschnitt einer Flachglas-Produktionsanlage, die täglich tonnenweise Architektur-, Auto- oder Display-Glas herstellt. Da ist Zeit Geld. Wartungsarbeiten müssen schnellstmöglich vonstatten gehen. Lukas Weiß, Simulationsingenieur bei Grenzebach, macht deshalb für Techniker via Virtual Reality sichtbar, wie der Wechsel der Graphitabstreifer unterhalb der Fördertechnik im Zinnbad Schritt für Schritt funktioniert. „Der Austausch der Graphitabstreifer steht lediglich alle paar Monate an. Da können sich die Mitarbeiter, die die Anlage im Werk warten, mit einer VR-Anwendung optimal darauf vorbereiten – und bringen den Wechsel selbst schnell und sicher über die Bühne“, erklärt der 28-Jährige. Er hat sich die Funktion des Zinnbades im Detail von seinen Kollegen von CNUD EFCO GFT, Teil der Grenzebach Gruppe, erläutern lassen, weiß exakt, wie der Austausch funktioniert, hat sich 3D-Modelle, CAD-Dateien besorgt. „Ich nehme mir den Abschnitt des Zinnbades als Modell vor – und baue den Wechsel der Graphitabstreifer ähnlich einem Computerspiel auf.“
Das ganze Industrieleben als Game
Mit den Technologien aus dem Gaming komplexe Abläufe aus dem richtigen Leben anschaulich machen, das macht den Gutteil der Arbeit eines Simulationsingenieurs aus. „Jetzt kann ich mir endlich so richtig vorstellen, wie das abläuft.“ (Kunden-)Kommentare wie diese gehören für Lukas Weiß zu den schönsten Komplimenten. Er bekommt sie auch zu Filmen, zum Beispiel denen, die den Ablauf von Additiver Fertigung, also industriellen 3D-Druck, Station für Station nachvollziehbar machen.
Früh begeistert von der VR-Technologie
Die Tätigkeit als Simulationsingenieur hat für Lukas Weiß viel vom Spiel mit dem Lego-Roboter – eben auf High-End-Niveau. „Ja, das ist schon die Erfüllung eines Kindheitstraums.“ Zusammen mit seinem Bruder hatte er sich bereits eine VR-Brille gekauft, als VR-Anwendungen im Gaming noch ganz am Anfang standen. Er mochte es, mit digitalen Mitteln einen Charakter anzunehmen, bei Rollenspielen in Parallelwelten aufzugehen.
Von klein auf mit der Grenzebach-Welt vertraut
In die Welt von Grenzebach ist Lukas Weiß von klein auf hineingewachsen. Sein Großvater war am Stammsitz in Hamlar bei Augsburg bis zum Renteneintritt als Einkäufer tätig; sein Vater absolvierte hier eine Ausbildung zum Technischen Zeichner, schloss dann ein Studium zum Chemieingenieur an und ist heute in der Lebensmittel-Branche tätig. „Grenzebach hat nach wie vor den Charme eines Familienunternehmens. Ich mag die Atmosphäre, den lockeren Umgang.“ Lukas Weiß tauchte bereits parallel zum Maschinenbau-Studium an der Hochschule Augsburg in verschiedene Welten bei Grenzebach ein. Im Praktikum arbeitete er an Layouts für ganze Industrieanlagen, in seiner Zeit als Werkstudent zeichnete sich die Tätigkeit als Simulationsingenieur schon ab. Titel seiner Bachelorarbeit: „Konzeption eines Leistungsanalysetools im Bereich Flachglashandling auf Basis der Geometriesimulation.“
Nächstes Praxislevel: virtuelles Treffen an der Anlage
Nächstes Praxislevel aus Sicht von Lukas Weiß: Konstrukteure aus Hamlar und Newnan in den USA können sich via VR-Brille an einer Anlage versammeln, beispielsweise die optimale Position eines Wartungszugangs diskutieren. Oder: Im Service kann Augmented Reality (AR), also erweiterte Realität, helfen. Etwa können mittels AR-Anwendungen der Kunde an der Anlage und der Service-Experte von Grenzebach gemeinsam ein Problem lösen – ohne dass Reisewege erforderlich sind.
Passion für mittelalterliche Welten und Dudelsack-Spiel
Von der nahen Zukunft ins Mittelalter. Eine Zeit, die Lukas Weiß seit Teenager-Tagen fasziniert. Er lernte das historische Burgfest in Harburg lieben, ging auf Mittelalter-Feste. Die Musik aus der Epoche sprach ihn besonders an. Das Ende vom Lied: Lukas Weiß nahm Dudelsack-Unterricht. Luft reinpusten, den Balg mit dem linken Arm drücken, die richtigen Griffe auf der Flöte machen: Lukas Weiß arbeitete sich rein in diese Welt – und spielt mit einem weiteren Dudelsack-Enthusiasten und einem Trommler seit rund zehn Jahren in einer Band. „Eine Stunde Programm stellen wir schon auf die Beine; dann wird´s einfach zu laut für alle“, erzählt Weiß und lacht.
Auf dem Hochsitz zur Ruhe kommen
Zu laut? Da ist es gut, dass Lukas Weiß noch eine Welt in Reserve hat. Den Wald. Er war schon immer gerne draußen, ging schon als Kind viel zum Wandern und Pilze sammeln. Freunde aus der Gymnasialzeit motivierten ihn, den Jagdschein zu machen. So büffelte er ein halbes Jahr lang parallel zum Maschinenbau-Studium fürs „Grüne Abitur“. Als Erholung zu Thermodynamik-Prüfungen stand die Beschäftigung mit Morphologie und Anatomie von Wildenten und Wildschwänen auf dem Programm. „Ich hätte mir auch gut vorstellen können, Förster zu werden. Nun lebe ich meine Leidenschaft für den Wald eben auf der Jagd aus.“ Er hat einen Begehungsschein für ein Revier in Wolferstadt, von Donauwörth aus Richtung Nürnberg gelegen, darf den Jagdpächter dort unterstützen. Und den Sonnenaufgang oder den Sonnenuntergang einige Stunden auf dem Hochsitz zu verbringen, bedeutet für den 28-Jährigen pure Entspannung. „Mit dem Fernglas die Natur zu beobachten, wenn alle Töne aus sind, das mag ich. Ich mag die Ruhe – und genieße es, wenn zwischendurch mal ein Vogel zwitschert oder ein Ast knackt. So komme ich runter.“